"Zeitgeist" (Neue Form: Freie Kunst)

Sammlung europlural

Die ausführliche Darstellung dieses Projektes steht hier.

"JedeR ist ein sozialer Künstler." Josef Beuys

© 2007 Peter Hauf; signiert: hauf | neueform; veroeffentlicht im Mai 2007 auf meiner Website www.neueform.biz (Dieser Link ist derzeit hier nicht aktiv)

Der Farbgradient hat die Eigenschaft, seine individuelle visuelle Dynamik - seine Identitaet - unter allen Licht- und Druckverhältnissen (vgl. auch Abb. Aktuell) zu behaupten. Die Farben selbst variieren je nach Bedruckstoff, Aufnahme(bearbeitungs)technik und Beleuchtung (Auflicht/Gegenlicht). Es bleibt dennoch immer die selbe Fahne, weil diese Fahne ein Bild ist - ein Fahnenbild allerdings, das ueber den Bezug, auf den es hinweist (die politische/religioese Identitaet), als ein postsouveraenes Mittel paradoxal hinausweist.Somit ist diese Fahne - mit einem Begriff von Jean-Luc Nancy - einer KOMMENDEN GEMEINSCHAFT gewidmet (Vgl. Text rechts)

(1) Kaiserliches Reichspanier; bis 1806. Schwarz: die Farbe des Weltalls; Gelb: "als Grund ... den Sand" (2) Nur zu best. Anlaessen, dann zusammen mit (1) : 'Blutbanner'. Blut, Energie, Leben - "die Farbe Michaels" (3) Die erste, aus 1) und 2) zusammengesetzte gold-rot-schwarze Trikolore; nach 1817 (Wartburgfest) (4) Schwarz-rot-gold, die Fahne der siegreich aus dem Vormaerz hervorgegangenen Partei. 1849-50; 1919-33; 1949 Westdeutschland --- (5) "Deutsche Demokratische Republik". 1959-90. Vgl. die in Sachsen "entworfene" 'DFB- Deutschlandfahne' im DDR-Look (bei Aktuell)

Ueber diese beiden, in den 'deutschen Farben' (die sinnbildlich im Dispositiv einer Trikolore fuer den "Corpus des Nomos" stehen und diesen dort als Fahnenbild leitmotivisch konstatieren) wiederzuentdeckenden Komponenten ereignet sich heute sodann auf seiten des normativ-rechtlichen Elements eine so ausschliesslich auf materiellen Zugewinn ausgerichtet erscheinende (uebrigens alle Kunst - ich wuerde sagen: in typisch deutscher Besessenheit - nur noch instrumentalisierende) Interessenseinseitigkeit, dass man mit einiger Berechtigung (und mit Guy Debord) wohl von einem kapitalisierten Parlamentarismus sprechen kann - und von einem voellig entleerten Himmel sprechen muss, der die Konsequenz daraus ist; und sodann mit dem durch den mittleren Streifen - und seine Lage - repraesentierten, anderen, "doch koordinierten Element"... wieder die anomische Leere, die der "Patron des (durch die Uebernahme 'seines Symbols' an diese Stelle und an diesen Ort, der Farbe Rot, eben nicht wirklich Anno 1806 erloschenen) Heiligen römischen Reiches deutscher Nation", namentlich der "Heilige Erzengel Michael" (dessen "Farbe Rot in allen Schattierungen ist", wie es noch - oder, nach dem Ende des Kalten Krieges, erneut - gemaess katholischer Kirche heisst, "und dessen Name bedeutet: Wer ist wie Gott") vor seinem an sich finalen Erloeschen in Auschwitz mehr oder weniger leidlich - sozusagen als Platzhalter - gefuellt haben duerfte (falls eben diese Allegorie nicht schon von jeher ein auf das Aeusserste missbrauchbares und missbrauchtes, ein eines Wirklichkeitsbezuges in beispielloser Gruendlichkeit ermangelndes, wohlfeiles Postulat gewesen sein sollte). - Dass diese Fahne auch nach 1945, und auch nach 1989 noch als tragfaehig erachtet wurde - und wird - wird zu einem Gutteil an der nahezu unueberwindlichen Hermetik liegen, mit der dieses Konstrukt aufwartet (das uebrigens, wie ein altes Meyer's Lexikon noch wusste, "nicht nach den Regeln der Heraldik zustande kam").

Um Deutsche der Evolution zurueckzugeben, muss, was sich als 'der deutsche Code' bezeichnen liesse... geknackt werden.

"Entzauberung setzt das Verzauberte nicht zurueck in seinen Urzustand: gemaess dem Prinzip, dass Reinheit nie im Ursprung ist, gibt sie ihm nichts weiter als die Moeglichkeit, Zugang zu einer neuen Fassung zu finden.(...)" (Agamben; ebd. S.104)

Ohne die in Europa, als dem "eigentlichen welthistorischen Ausnahmefall" (Jan-Werner Mueller), durchaus vorhandenen Ideale einer Abkehr von ueberkommenen Souveraenitaetsvorstellungen - um die es sich auch bei der von mir visuell umgesetzten Denk- (und sodann bezeichnenderweise sofort, wie im Handumdrehen, von jenen, die ich seither als die Deutsche-Fahnen-Betrueger-Bande bezeichne, geraubten, instrumentalisierten und zu diesem Zweck augenblicklich ruecksichtslos pervertierten) Kreativleistung einer Aufloesung des in der deutschen Fahne in einseitig-gattungstypischer*** Art festgeschriebenen spezifischen Bannes, also bei meiner Visualisierung eines "Ent-satzes des Rechts aus den Faengen der Gewalt" (W. Benjamin) zum Leitmotiv einer neuen 'Lebens-Form'*, naemlich an sich handelt - zeichnet sich in der Innen- wie Aussen- und Machtpolitik ein duesteres bis katastrophales Bild der Zukunft; die von den verstaendigeren Geistern uebernommene Verantwortung eines entsprechenden, gut durchdachten "langfristigen politischen Willens" (Mueller) kann jedenfalls nicht gut mit der heutigen EU-Emblematik transportiert werden, soviel ist sicher.

***Es ist ein weiteres mal Giorgio Agamben (Homo sacer, Frankfurt:Suhrkamp 2002, S.120), der auf die semantische Doppeldeutigkeit des Wortes 'Banner' hinweist, "aufgrund deren im Italienischen "in bando, a bandono" urspruenglich "der Gnade ueberlassen, ausgeliefert [...] sowie "aus freien Stücken, freiwillig [...] heisst; und "bandito" meint sowohl "ausgeschlossen, verbannt" als auch "offen, fuer alle frei", etwa in den Wendungen "mensa bandita", "oeffentlicher, reich gedeckter Tisch", und "a redina bandita", "mit losen Zuegeln".(...)"

Meine als "reine" Fahne fuer eine "Seins-Form"* abgefasste 'Neue Form' spricht von einer "reinen" Gewalt (im Benjamin'schen Sinn**), ist post-souveraen und in dieser Hinsicht mithin das genaue Gegenteil des alten deutschen Tuches: Du sollst selbst denken, selbst wenn du es erst noch lernen musst.

(Und das ist auch die Botschaft von "free sun".)

*Der Begriff 'Seins-Form' (forma-di-vita) wurde von Giorgio Agamben als Frage gepraegt (in der deutschen Buchuebersetzung heisst es "Lebensform"): "(...) Wie kann eine Lebensform jenes >haplôs< erfassen, das zugleich die Aufgabe und das Raetsel der abendlaendischen Metaphysik bildet? (...)" (Giorgio Agamben, >Homo sacer<; Frankfurt:Suhrkamp 2002, S.198). | Format und Struktur der Fahne haben eine proportionale Entsprechung erhalten: das Feld ist 'dynamisch' und weist damit (vgl. den Begriff 'dynamisches Feld' in der Physik) auf ein 'Ganzes' "jenseits der Forschungen (...) die der Schnittpunkt von Politik und Philosophie, medizinisch-biologischen Wissenschaften und Rechtswissenschaften definiert." (Ebd.) | Der rote Streifen - der die elementare Bindung des Lebens an ein anomischen Metarecht symbolisierte - ist als ein Ent-setztes dargestellt ("Ent-setzung des Rechts" bei Benjamin).

**"eine Gewalt anderer Art", die zu entdecken ist.

Eine utopie-taugliche Neugestaltung der deutschen Fahne muss den 'deutschen Code' knacken, der in der alten deutschen Fahne leitmotivisch festgeschrieben ist.

Hauf|Neue Form ist als Kunstprojekt, als die deutsche Fahne einer 'topischen Utopie' gedacht (als ein Projekt mithin, das sich im Statthaben dessen situiert, das es der Evolution zurueckgeben möchte), etwa nach der offenen Massgabe eines Jean-Luc Nancy:

"Die KOMMENDE GEMEINSCHAFT versucht, eine Gemeinschaft jenseits irgendeiner Konzeption, die unter diesem Namen zur Verfuegung stuende, zu designieren; nicht eine Gemeinschaft der Essenz, ein Zusammensein von Existenzen; das soll heissen: genau das, was politische so gut wie religioese Identitaeten nicht mehr zu erfassen vermoegen. Nicht weniger."

Mit anderen Worten: 'deutsch' nicht mehr als der auf ueberkommene juristische Mythologeme eingeschworene und sich 'volksmaessig' so unbewusst wie exklusiv darauf einschwoerende nationalstaatlich-biopolitische Begriff (unter dem Bann eines freilich immer unsichtbar bleibenden, freilich immer das Leben bannenden Souveraens), sondern als eine - neuerdings wieder einmal - in den eigenen Bedingungen und Zwaengen einem Staat gegenueber, der sich nicht auf seinen Bund, sondern auf das Verbot der Aufloesung desselben gruendet, bewusstere, alertere, und von daher gewiss zeitgemaessere, in vielleicht, nach einer solchen Oeffnung des Raumes, erst noch zu entdeckender Form auf eine dynamische Welt antwortende und ihr gegenueber offene Stimmung...

(a)-(d) Die seltsame Verwandlung der Farbenfolge von (3) gold-rot-schwarz nach (4) schwarz-rot-gold. Oben(a): Historisch korrekte Abbildung (Hambacher Fest 1832 mit den damals streng verbotenen Farben gold-rot-schwarz. (b) Die Fahne dreht sich und wird 'grossdeutsch'/ katholisch (Berlin, 19.Maerz 1848); die Abkehr vom Absolutismus ist misslungen. (c) Briefmarke "150 Jahre Hambacher Fest", Westdeutschland, 1982; die Farbfolge ist 'unhistorisch'. (d) Briefmarke "175 Jahre Hambacher Fest", 2007; die Farbfolge ist 'unhistorisch'.

Aus der geschichtlichen Phase des entstehenden und sich - nach dem (offiziellen) Erloeschen des "Heiligen roemischen (Kaiser-) Reichs deutscher Nation" (1806) - auch in Deutschland artikulierenden Nationalismus gehen 1848 nach fast einem halben Jahrhundert der politischen Wirren und Kaempfe die katholisch-"grossdeutschen" Kraefte als die Sieger hervor, wenn auch zunaechst nur fuer kurze Zeit. Sie werden jedoch eine pseudomoderne und pseudomorphotische Fahne eingefuehrt haben, die in Wirklichkeit ausschliesslich symbolisiert, dass unter ihr die Gewalt mit dem Recht schachert...- einem Recht zumal, das sich in totalitaerer Weise und eben unter einem Rueckgriff auf - noch heute ungeklaerte - juristische Mythologeme in einem Ausnahmezustand, der dadurch zur Regel wird, "auf das Leben bezieht und es in sich einschliesst durch seine eigene Suspendierung" (wie es Giorgio Agamben formuliert, siehe unten).
Das "alte deutsche Tuch" - die Fahne "Schwarz-Rot-Gold", so, wie sie 1848 inauguriert wurde, stellt das Dispositiv des Bezuges zwischen Gewalt(taetigkeit) und Recht, sowie der Bindung solchen Rechts an das Leben dar, das Dispositiv des Ausnahmezustands.

Peter Hauf

Art + Art Direction

Grafik, Gestaltung

peterhauf.com

Es gibt in der Welt der Fahnen keine mehr, die dem "alten deutschen Tuch" an Perfektion darin gleichkaeme, ultimativ auf "das fuer die Rechtsgrundlagen entscheidende Konstrukt" der Ausnahme und des Ausnahmezustands anzuspielen, ja, dessen "ursprüngliches Dispositiv" darzustellen, indem sie - leitmotivisch - das fuer diktatorische Verhaeltnisse typische Zurueckholen einer anomischen Gewalt in den Rechtskontext, ein Eingeschriebensein derselben in den Corpus des Nomos visualisiert; es ist das a) komplexe und b) in sich selbst widerspruechliche Bild einer Isolierung, eines Ausschlusses durch Einschluss, ueber die "ein unsichtbarer Souveraen" entscheidet, wobei a) jene Gewalt - im Ausnahmezustand - "durch eben ihr Ausgeschlossensein ins Recht eingeschlossen" ist, und b) "sich das Recht auf das Leben bezieht und es in sich einschliesst durch seine eigene Suspendierung".*

* Wie der italienische Jurist und Philosoph Giorgio Agamben in seinem Werk 'Ausnahmezustand' (Frankfurt: Suhrkamp 2004, S.12, aus dem auch die beiden anderen Zitate stammen) noch naeher ausfuehrt, "begruendet der Ausnahmezustand (...) ein Rechtsvakuum (...)"...Das spezifische Dispositiv der Trikolore, das in der historischen Phase des Nationalismus - und vergleichsweise ziemlich spaet in Deutschland, naemlich erst im 19.Jhd. - eingefuehrt wurde, scheint eine stringente visuelle Parallele zu "einige(n) provisorische(n) Schlussfolgerungen" zu haben, die Giorgio Agamben (ebd., S. 101) gezogen hat: "(...) Das Rechtssystem des Okzidents zeigt sich als doppelte Struktur, gebildet aus zwei heterogenen und doch koordinierten Elementen: ein normativ-rechtliches (...) und ein anomisches und metarechtliches (...)"...

"Die Tradition der Unterdrueckten belehrt uns darueber, dass der 'Ausnahmezustand', in dem wir leben, die Regel ist. Wir muessen zu einem Begriff der Geschichte kommen, der dem entspricht. Dann wird uns als unsere Aufgabe die Herbeifuehrung des wirklichen Ausnahmezustandes vor Augen stehen ..." (W. Benjamin, Zur Kritik der Gewalt, 1921)